Die Sternguckerkrankheit

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Es war ein totaler Schock für mich: Ein Freund rief mich an, dass unser Hässchen Paul in der Tier-Notklinik liegt, er hat einen schiefen Kopf und kann sich kaum noch bewegen, geschweige denn Fressen. 

Von dieser Schiefhalskrankheit hat mir etwa eine Woche vorher eine Freundin erzählt, auch hier Ninchen war daran erkrankt.

Symptome:

Die Sterngucker- oder Schiefhalskrankheit tritt sehr plötzlich auf. Innerhalb weniger Stunden halten die Tiere den Kopf schief, zucken mit den Augen (-lidern), können nicht mehr hoppeln, kein Menschen mehr machen. Wenn die Tiere nicht schnell behandelt werden, können sie bleibende Schäden davontragen oder sogar sterben. Nach vorsichtigen Schätzungen meines Tierarztes und wie ich in mehreren Quellen lesne konnte, überlebt nur jeder 10. Hase diese Krankheit.

Alleine das Schiefhalten des Kopfes muss aber nicht gleich eine Erkrankung bedeuten: bei Mittelohrentzündungen reagieren die Tiere ähnlich. Paulchen hatte sogar beides, e.c. und wurde am Ohr operiert. Bei e.c. sollten erst alle anderen Krankheiten ausgeschlossen werden. e.c. lässt sich nur im Blut nachweisen. Wobei allein der Nachweis des Erregers,  nicht heißen muss, dass das Tier daran erkrankt ist (s. Auslöser).

Die Krankheit:

Diese Krankheit, umgangssprachlich Sternguckerkrankheit genannt, heißt richtig Enzephalitozoonose und wird meist mit e.c. abgekürzt. Die Krankheit greift das zentrale Nervensystem an. Deswegen haben die Tiere ihre Beine nicht mehr richtig unter Kontrolle und fallen beim Laufen oder gar Sitzen ständig um. Die Tiere verdrehen den Kopf dann in eine Richtung, als hätten sie einen Krampf.
sternguckerkrankheit_bild-1Paul verdrehte den Kopf so nach oben, dass das rechte Augen nach oben geguckt hat, deswegen Sterngucker-Krankheit. Seine Linke Körperhälfte war wie verkrüppelt, er konnte sich mit der linken Vorderpfote kaum putzen, auf die linke Seite nicht stützen. Auf dem Bild links ging es Paul schon viel besser und er konnte wieder selbstständig fressen. Das war etwa 4 Tage nach der Behandlung mit Antibiotika und dem Verwenden eines Wurmmittels.
Ist die Krankheit weit fortgeschritten, drehen sich die Kaninchen meist wild im Kreis, weil sie mit der Situation nicht klarkommen. Binnen weniger Tage können die Nervenbahnen so stark geschädigt werden, dass bleibende Schäden (Blindheit, der schiefe Hals) zurückbleiben.
Außerdem können auch Organe wie Herz, Leber, Milz oder Nieren befallen und geschädigt werden. Dadurch können später, nach der Heilung, immer wieder Probleme auftreten. Je eher diese Krankheit auftritt, umso gefährlicher ist die Verwendung von Antibiotika. Die können, wie auch bei meinem Häschen, die besagten Organie wie Leber und NIeren, sowie die Lymphknoten befallen.

Auslöser:

So ganz einig ist sich die Medizin da nicht. Wahrscheinlich ist ein Erreger dafür verantwortlich. Ein einzelliges, pilzartiges Lebewesen, das sich innerhalb von Zellen ansiedelt (eine obligat intrazellulär lebende Mikrosporidenart)) (danke an Kommentatorin Rabae für die Infos). Offenbar tragen etwa 1/3 aller Kaninchen diesen Virus in sich, bei den wenigstens bricht die Krankheit aus. Einen Impfschutz gibt es nicht, aber Heilungsmöglichkeiten (s.u.). Eine Infektion kann über das Futter, Insekten, Streu oder den Kot anderer Tiere (Kaninchen) erfolgen. Die Ursache an sich lässt sich also fast nicht abstellen. Manchmal kann es Jahre dauern, bis die Krankheit ausbricht. Also ist es auch sehr schwer festzumachen, wodurch der Erreger übertragen wurde. Auch Tiere, die einmal daran erkrankt sind, können wieder „rückfällig“ werden. Das erneute Krankheitsrisiko ist aber nicht höher, als bei bisher gesunden Tieren, sagen Studien.

Behandlung:

Die Tiere müssen sofort (!) mit Antibiotikum behandelt werden (mit den Wirkstoffen z.B. Chloramphenicol oder Tetracyclin) udn sie sollten ein Wurmmittel bekommen, um den Erreger auszuscheiden. Notfalls muss ein Nottierarzt aufgesucht werden. Scheuen sie hier nicht die Kosten. Je eher das Tier behandelt wird, umso besser sind die Behandlungschancen und meistens werden sie auch schneller wieder gesund.  Und seien Sie sicher, fragen sie nach, ob ihr Tierarzt mit der Krankheit vertraut ist und das Tier auch behandeln kann! (ansonsten hilft dieser Link hier weiter). Unwissende, unerfahre Tierärzte sehen meistens keine Chance mehr und schläfern sofort ein.

Nach den erste-Hilfe-Maßnahmen sozusagen, muss die Nahrungsaufnahme sichergestellt werden, und auch die Aufnahme von Wasser. Notfalls muss das Tier zur Beobachtung in der Tierklinik bleiben. Der Arzt gibt im Notfall auch Kochsalzlösungen ein, um die Nieren zu schützen. Die kranken Kaninchen müssen aber auf jeden Fall von Artgenossen getrennt werden! Die Ansteckung ist das eine (weniger wichtige), vielmehr könnte das kranke Tier durch Rangeleien verletzt oder noch mehr geschwächt werden.

Panacur ist ein Wurmmitel, dass den Erreger sehr effektiv bekämpft und vor allem die Übertragung des Erregers auf andere Kaninchen unterbindet. Es sollte über einen Zeitraum von 2-3 Wochen gegeben werden. Die Dosis der milchigen Flüssigkeit ist sehr gering, etwa auf 2kg 0,2ml am Tag. Das kann der Tierarzt aber am besten dosieren.
Vitamin B kann zusätzlich gegeben werden, um die Nerven zu stärken und zu schützen

Heilung:

Hier kann ich natürlich nur aus meiner Erfahrung sprechen. Es hat etwa zwei Wochen gedauert, bis Paulchen wieder fit wurde. 2 sternguckerkrankheit_bild-2Tage musste er in der Klinik zubringen, er wurde operiert, gespritzt und zwangsernährt. 
Er hat dann etwa 10 Tage lang bei mir das Antibiotikum bekommen, musste mit Critical Care zwangsernährt werden und bekam dann später Panacur. Nach etwa einer Woche guckte er wieder so munter wie auf dem Foto links, der Kopf zwar noch schief, aber er konnte wieder hoppeln und hat – wenn auch zögerlich – alleine gefressen. Das mag vielleicht auch an den Medikamenten liegen, die den Appetit verderben. Sprechen sie ihren Tierarzt an, der kann als Appetitbringer Koffein spritzen – wenn das Tier nicht eh schon mit genügend Medikamenten vollgepumpt wurde.

Tipps zur Zwangsernährung: Haben sie ihre Tier zu Hause müssen sie es wahrscheinlich zwingen zu essen. Die Tiere haben meiner MEinung nach Starke schmerzen, sind verwirrt, apathisch, bewegungsunfähig. Haben Angst, und fühlen sich sozial ausgegrenzt. Respetieren sie das, seien sie für ihr Tier da. Für die Ernährung besorgen sie sich eine Einwegspritze ohne Nadel aus der Apotheke (kosten zwischen 10 und 40 Cent, in den Größen von 0,5 bis 40ml) und Futter. Entweder sie machen sich selbst die Mühe alles Futter zu zerkleinern, oder sie kaufen Critical Care (Dosierung steht auf der Packung). Ich kann es empfehlen, es schmeckt einigen Kerlen wunderbar und enthält Vitamine und Zusatzstoffe, die bei einseitiger Ernährung mit dem Lieblingsfutter auf der Strecke bleiben.
Sie müssen etwa 4-6 mal täglich recht große Mengen (50-60ml pro Kilo) füttern. Lassen sie sich nicht davon irritieren, dass die Kaninchen keinen Hunger haben – wie gesagt, das mag an den Medikamenten liegen. Bekommen Kaninchen längere Zeit nichts zu fressen, dann versagt der Verdauungstrakt: kommt nichts nachts, bleibt das Futter im Magen und gärt. Es ist also sehr gefährlich, sie hungern zu lassen! Manchmal dauert so ein Fütterungsakt eben auch mal seine ein, zwei Stunden. Haben sie Geduld, es geht um das Leben ihres Nagers! Und lassen sie sich in den ersten Tagen nicht entmutigen 20ml pro Mahlzeit sind ein guter Anfang – am nächsten Tag oder bei der nächsten Mahlzeit steigern.

Heilungsverlauf: sternguckerkrankheit_bild-3Es könnte in den ersten beiden Tagen sogar schlimmer werden, der Hals schiefer, die Tiere matter. Lassen sie sich davon nicht entmutigen. Es ist möglich diese Krankheit zu besiegen und die Tiere wieder vollkommen fit zu bekommen. Normalerweise bessert sich die Situation nach 3-5 Tagen. Auf dem Bild rechts hat Paulchen etwa zehn Tage gegen die Krankheit gekämpft und hatte nur manchmal noch einen leichten schiefen Kopf.

Bei einigen Fällen hat es aber auch schon Monate gedauert, bis die Tiere wieder selbst fressen und halbwegs vernünftig laufen konnten. Aber es lohnt sich wirklich zu kämpfen. Heutzutage sollte kein Tier mehr wegen dieser Krankheit – die wirklich heilbar ist – eingeschläfert werden. Wenn sie Hilfe bei der Pflege brauchen, dann fragen sie bei Bekannten oder bei Tierforen. Das Leben eines Tieres ist es wert, sich dafür einzusetzen!

Einschläfern: Wenn sich der Zustand natürlich gar nicht bessert, die Medikamente nicht anschlagen und die Tiere überhaupt nicht alleine fressen, kann über das Einschläfern nachgedacht werden. Bitte überlegen sie sich das gut, ob ihr Tier nicht noch ein, zwei Tage Kämpfen verdient hat. Mir fiel es auch sehr schwer, Paulchen so leiden zu sehen, aber er hat gekämpft und lebt jetzt seit Wochen wieder richtig fröhlich!

Die Heilung:

sternguckerkrankheit_bild-4Paulchen war zwei Wochen wieder topfit, er fraß selbstständig,  hat 400g zugelegt, sein Fell an den Schultern wuchs nach (ist wahrscheinlich wegen einer Hormonstörung ausgefallen) und er war wieder rundum glücklich. Allerdings schlief er mehr als früher und er war schmusebedürftiger geworden. Ich glaube die Tierchen merken irgendwie, dass man ihnen das Leben gerettet hat.
Etwa nach zwei Wochen konnte ich seinen Partner Hasi wieder zu ihm setzen. Das hat etwa zwei Tage gedauert. Bitte unterschätzen sie nicht, dass die Tiere erstmal ihre Rangordnung klären müssen – auch wenn es Altbekannte sind. Tiere vergessen schneller. Vielleicht braucht die Vergesellschaftung auf ein paar Anläufe.

Die Spätfolgen

Ich bin kein Mediziner, ich bin kein Wissenschaftler und kein Arzt. Ich kann nurm utmaßne und meine Erfahrung preisgeben. Und ich musste feststellen, dass diese Krankheit bei meinem Paulchen offenbar schwere Schäden hinterlassen hat.
Ich persönlich vermute, die Leber, die Nieren und das Immunsystem meines Hasens haben stark gelitten. Paulchen starb etwa anderthalb Jahre nach dem Ausbruch der Sternguckerkrankheit. Er hatte geschwollene Lymphknoten, die entfernt werden mussten, er hatte schlechtes Fell, er verlor an Substanz und Widerstandskraft. Ich schätze, das waren die Sptfolgen der Antibiotika. Dennoch hat er anderthalb Jahre weitergelebt, und dafür hat es sich gelohnt zu käpmfe.n Tun sie es auch!

Links:

weitere Informationen zur Sternguckerkrankheit auf Intervet
oder im Kaninchenforum
Informationen zur medizinschen Versorgung
Formular zur Krankheitsbeschreibung